„Tante, du brennst!” schrie ich. Ich tauchte eine Decke in den Wasserkübel und stürzte zur Tante zuück.
„Dass danach mein Herz nicht aufhörte zu schlagen, begreife ich bis heute nicht!”
„Du lebst noch?” - „Das ist aber schon alles.“
„Ich war heimatlos. Mir war nichts geblieben außer dem blauen Arbeitsanzug, den ich am Leib trug.“
„Unser 4-jähriges Töchterchen fehlte.“
„Ich hatte Wunden am ganzen Körper.“
Diese und noch mehr Zitate aus Interviews mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen des Bombenangriffs auf Pforzheim am 23. Februar 1945 lasen unser ehemaliger Kollege Reinhard Kölmel und Fritz Schönthaler, beide Geschichtslehrer und Mitglieder im Amateurtheaterverein Pforzheim e. V. (ATV), heute vor sechs Schulklassen aus Unter-, Mittel- und Oberstufe.
Herr Schönthaler hatte die Texte selbst aus unterschiedlichen Quellen zusammengefasst und präsentierte sie gemeinsam mit Herrn Kölmel eindrücklich in einer szenischen Lesung, die die Schülerinnen und Schüler in ihren Bann zog.
Ebenso wenig wie man den 08. Mai 1945 vom 30. Januar 1933 trennen darf, zitierten die beiden aus der Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäckers, kann man dem Angriff auf Pforzheim losgelöst von den Angriffen der deutschen Luftwaffe auf andere europäische Städte gedenken und sich der Opfer des zweiten Weltkrieges erinnern: Guernica, Rotterdam, Coventry, ...
Nach einer kurzen Einleitung und historischen Einordnung beschrieben Herr Kölmel und Herr Schönthaler eindringlich und minutiös die Ereignisse des 23. Februars: Um 19.52 setzte die Royal Air Force ihre Zielmarkierungen. 362 Bomber flogen ihren Angriff und warfen Spreng- und Brandbomben ab, die das nächtliche Pforzheim taghell erleuchteten. Die engen Gassen Pforzheims begünstigten den folgenden Feuersturm, der über 17 600 Menschenleben kostete. Metalle, deren Schmelzpunkt bei 1700° Celsius liegen, wurden flüssig. In nur 22 Minuten „verkochte Pforzheim zu Lava.“
Doch nicht die materiellen Verluste standen im Zentrum der Lesung, sondern die Erinnerungen der Überlebenden, ihr entsetzliches Leid angesichts des Verlustes geliebter Menschen und ihres Zuhauses. Der Schriftsteller Alfred Döblin schrieb nach dem Bombenangriff: „Pforzheim kannst du vom Atlas streichen.“ Dem ist nicht so gekommen! Pforzheim wurde wieder aufgebaut. Aber auch hier wirkt weniger als das Erscheinungsbild der Stadt viel stärker das Gedenken an die Opfer, das durch NS-Regime und Krieg verursachte Leid, das Annehmen der deutschen Verantwortung und die Bewahrung des Friedens als wesentlicher Teil unserer Erinnerungskultur nach. In den 78 Jahren nach Ende des zweiten Weltkriegs konnten aus diesen Erfahrungen Freundschaften zwischen Menschen, Städten und Nationen wachsen, wie man an der Städtepartnerschaft zwischen Pforzheim und Guernica sehen kann.
Der Luftangriff auf Pforzheim fand am 23. Februar vor 78 Jahren statt.
Der Angriff auf die Ukraine begann am 24. Februar des vergangenen Jahres. Geflüchtete Menschen waren im letzten Frühjahr in der Jahnhalle untergebracht.
Wir alle mussten erkennen, wie fragil der Friede ist, dem wir uns so sicher waren. Wir alle denken an die Menschen, die damals wie heute, Bombenangriffe erlebten und erleben. Wir alle hoffen auf einen baldigen Frieden und sicheren Wiederaufbau.
Birgit Heike Knobloch, 17. Februar 2023